Plattform versus Netzwerk: Welches ist das bessere Geschäftsmodell?

Kürzlich führten wir eine Diskussion im t'charta Team, welches Geschäftsmodell die perfekteren Kundenangebote liefert: Plattformen wie Uber, Amazon & Co. oder Geschäftsmodelle nach der Netzwerkphilosophie? Das Team war zweigeteilt. Während die einen die Effizienz und standardisierte User Experience von Plattformen als wichtige Vorteile von Plattformen sahen, hoben die anderen strategische Sicherung der Markteffizienzen durch Netzwerke heraus. Letzteres ist ein interessanter Gedankengang: Welches Modell führt zur ökomischen Nachhaltigkeit?

Traditionell arbeiteten Unternehmen entlang linearer Wertschöpfungsketten. Die Kette vom Produzenten zum Endkunden erfolgt Schritt für Schritt, beginnend mit dem Produktdesign, gefolgt von der Herstellung und dem Vertrieb über Kanäle wie Grosshändler, Einzelhändler, Lizenznehmer oder Agenten bis hin zum Endkunden.

Das Problem bei solchen linearen Geschäftsmodellen ist, dass es Intermediäre und Gatekeeper gibt. Diese kontrollieren den Kanal zum Endkunden, was Produkte und Dienstleistungen teurer macht.

Intermediäre treffen eine Vorauswahl an Produkten und Dienstleistungen für ihre Kunden und bestimmen die Art der Präsentation und des Verkaufs der Produkte in ihren Verkaufsstellen. Im schlimmsten Fall schotten sie ihre Kanäle und Märkte für kosteneffiziente, aber margenschwachen Produkte ab und halten den Endkunden Innovationen vor.

Plattformen: Neue Intermediäre und Gatekeeper

In den letzten Jahren sind immer mehr neue Unternehmen auf den Markt gekommen, welche nach einem alternativen Geschäftsmodell zur linearen Wertschöpfungsketten arbeiten: Die Plattformen.

Plattformen verbinden verschiedene Marktteilnehmer - Hersteller, Dienstleister, Lieferanten, Händler und Verbraucher - miteinander, ermöglichen den Austausch von Waren, Dienstleistungen oder Rechten direkt zwischen den Marktteilnehmern. Uber, Airbnb, Alibaba, Amazon und viele mehr sind allesamt plattformbasierte Geschäftsmodelle. Sie bieten eine superbequeme User Experience und gewährleisten eine konstante Servicequalität. Und sie eliminieren Intermediäre in Verkaufsketten, was zu mehr Markteffizienz und Transparenz führt. Kurz gesagt, Plattformen übertreffen die linearen Wertschöpfungsketten und sind deshalb so erfolgreich.

Plattformen werden leider immer mehr zu dem, was sie eigentlich eliminieren wollten: Sie werden die neuen Intermediäre. Einige der erfolgreichsten Plattformen zeigen bereits heute ein monopolistisches Verhalten. Amazon zum Beispiel betreibt eine Plattform für Dritthändler. Deren Anteil am E-Commerce Umsatz von Amazon ist von 3 % im Jahr 1999 auf 53 % (oder 117 Mrd. USD) im Jahr 2022 gestiegen. Dies beweist, dass Amazons Plattform ein effizienter und bequemer Kanal für etwa 2 Millionen kleine und mittlere Händler ist.

Im Jahr 2019 haben aber verschiedene europäische Wettbewerbsrechtskommissionen, darunter Deutschland, Österreich, Italien und die EU-Kommission selbst, Untersuchungen gegen Amazon wegen Ausnutzung der Marktmacht eröffnet. Die Untersuchung der EU stellt in diesem Rahmen fest, dass Amazon mit der Nutzung «von den nicht-öffentlichen Geschäftsdaten der Marktplatzverkäufer zur Kalibrierung seiner Einzelhandelsentscheidungen den fairen Wettbewerb auf seiner Plattform verzerrt und einen wirksamen Wettbewerb verhindert.»

Die Untersuchung wurde im Dezember 2022 mit einer Verbindlichkeitserklärung von Amazon geschlossen. Amazon erklärte darin, keine nicht-öffentliche Geschäftsdaten aus Aktivitäten von Dritthändlern von seinem Marktplatz zu beziehen und daraus Schlussfolgerungen für sein eigenes Handelsgeschäft abzuleiten. Dieses Beispiel zeigt gut, in welche Dilemmas plattformbasierte Geschäftsmodelle kommen können.

Aufbruch in Neuland: Von Plattformen zu Netzwerken

Eine Antwort auf das Dilemma der marktbeherrschenden Plattformen ist, die Anbieter zu zwingen, sich in zwei unabhängige Geschäftseinheiten zu teilen: Eine für den operativen Betrieb der Plattform und eine für das Handelsgeschäft. Diese ist eine vorherrschende Präferenz der Regulatoren.

Eine andere Lösung ist, das Geschäftsmodell der dominierenden Plattformen in ein Netzwerkmodell mit einer Multi-Party-Governance umzuwandeln. Wie Plattformen ermöglichen Netzwerke Verkäufern mit Käufern direkt zu interagieren und digitalisierte Informationen, Waren, Dienstleistungen, Vermögenswerte und Rechte direkt - peer-to-peer - auszutauschen, doch dies mit drei kleinen, aber feinen Unterschieden:

  1. Netzwerke werden von den teilnehmenden Mitgliedern operative und technologisch selbst betrieben. Jeder Teilnehmer hat eine Schnittstelle - ein sogenannter Nod - in das Netzwerk, womit ein zentraler Datenhub wie bei Plattformen obsolet werden.

  2. Transaktionen auf dem Netzwerk müssen gemäss einem von den Teilnehmern standardisiertem, mathematischen Algorithmus abgewickelt und vertrauenswürdig ihre Echtheit, Richtigkeit und Finalität geprüft werden. Die Transaktion-Logs werden anschliessend dezentral gespeichert und können nicht zentral analysiert, attackiert oder manipuliert werden.

  3. Auch die Governance eines Netzwerks eine gemeinsame Aufgabe der Teilnehmer. Standardisierung und rechtliche Regeln werden gemeinsam vorangetrieben und verabschiedet, während auf einer Plattform die gesamte Macht bei einem Anbieter liegt.

Nachhaltige Markteffizienz

Es ist der alte (oder auch aktuelle) Kampf von demokratischen gegen autokratische Marktsysteme. Autokratische Plattformen sind schnell und effizient beim Schaffen einer konstanten Dienstleistungsqualität, streben aber immer nach Skalen und Marktdominanz. Während demokratische Netzwerke zu einem effektiveren und faireren Marktmodell führen, aber sehr schwerfällig bei der Einigung auf Standards und ein gemeinsames Kundenerlebnisses sind.

Die Frage, welches Geschäftsmodell zum perfekteren Kundenangebot führt, kann wahrscheinlich gar nicht beantwortet werden. Aber die Frage, welches Geschäftsmodell nachhaltig zu freien und effizienten Märkten führt, lässt sich meiner Meinung nach eindeutig beantworten.

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Interessenkonflikte in Anbieter Referenz Interviews erfolgreich vermeiden