Sind wir fit für wertorientiertes Produktmanagement?

Laut einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) übertreffen die 40 stärksten Marken der Welt den Markt, indem sie ihren Aktionären eine fast doppelt so hohe Gesamtrendite bescheren. Allerdings stellte die Studie auch fest, dass nur 11 % der untersuchten Unternehmen klare strategische Prioritäten in Bezug auf ihre Markenführung haben (Sully & Turconi, 2017).

Diese Beobachtung hat uns bei t'charta neugierig gemacht. Wir haben uns gefragt, wie Führungskräfte und Produktmanager in der Schweiz, Deutschland und Österreich die Bedeutung von Markenversprechen und wertorientiertem Produktmanagement einschätzen. Wie gut orchestrieren sie ihre Marktangebote rund um ihre Markenversprechen und Unternehmenswerte? Ist dies überhaupt ein wichtiges Thema? Und wenn ja, welche Aktivitäten und Massnahmen haben sie ergriffen, um ihre Marktangebote auf ihre Werte auszurichten?

Von der Theorie zur Praxis

Für t’charta gehen Marke und wertorientiertes Produktmanagement Hand in Hand. Eine Marke ist ein Versprechen eines Erlebnisses. Produkte oder Dienstleistungen liefern das Erlebnis. Eine Marke spiegelt den Wert wider, der dem Kunden geboten wird (Medic et al., 2009) und dieser Wert muss sich über das wertorientierte Produktmanagement in allen Facetten des Marketing-Mixes hinter einem Marktangebot wiederfinden. Es geht darum seinen Produkten und Dienstleistungen eine Wertesignatur zu geben, mit welcher sich Kunden mit ähnlichen Wertvorstellungen emotional identifizieren können. Dies erhöht die Kundenbindung und hilft, den wiederkehrenden Umsatz mit den Kunden nachhaltig zu steigern.

In unserer t’charta Studie ging es darum herauszufinden, wie Führungskräfte und Produktmanager marken- und wertorientiertes Produktmanagement im Kontext ihrer strategischen Prioritäten sehen und umsetzen. Hierzu haben wir aktuelle akademische Publikationen studiert und unsere Erkenntnisse durch Experteninterviews mit Führungskräften auf Geschäftsleitungsebene sowie einer Onlineumfrage bei fast 100 Produktmanagern abgerundet. Mit diesem Ansatz haben wir eine Top-Down- und Bottom-Up-Perspektive auf die Umsetzung des wertorientierten Produktmanagements gewonnen.

Diskrepanz zwischen Sagen und Tun

Obwohl Unternehmens- und Markenwerte als wichtige Säulen des heutigen Managements wahrgenommen werden, rangiert die strategische Markenführung nur im Mittelfeld der Unternehmensprioritäten. Viele Führungskräfte konzentrieren sich auf das Wachstum oder die Verteidigung von Marktanteilen. Weitere Prioritäten sind die Investition in Digitalisierung und Automatisierung, die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen und die Steigerung der Rentabilität. Die Studie deckt eine Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Rolle des wertorientierten Produktmanagements und seiner tatsächlichen Umsetzung auf.

Führungskräfte sowie Produktmanager betonten, wie wichtig es ist, dass Produkte und Dienstleistungen, Preismodelle, Marketingkommunikation und Vertriebskanäle das Markenversprechen und die Unternehmenswerte widerspiegeln. Da Mitarbeiter und das mittlere Management die DNA eines Unternehmens sind, kommt ihnen eine Schlüsselrolle als Markenbotschafter zu. Sie liefern und repräsentieren das Kunden- und Marktangebot Tag für Tag. Jedoch zeigten sich besonders die Produktmanager unzufrieden mit der Umsetzung des wertorientierten Produktmanagements und sehen dort Verbesserungspotenziale.

Mitarbeiter und Führungskräfte sind wichtige Markenbotschafter

Auf die Frage, wie ihr Unternehmen das Markenversprechen in der Organisation, den Produkten und den Dienstleistungen verankert, nennen die befragten Managerinnen und Manager oft nur generische Massnahmen. Das Unternehmensleitbild, das Intranet und interne Kommunikationsmassnahmen wie sogenannte Townhalls oder Markenbroschüren wurden am meisten genannt. Nur wenige Unternehmen haben gezielte Ausbildungen und Schulungen zu den Marken- und Unternehmenswerten für das mittlere Management und die Mitarbeitenden.

Trotzdem gibt es einige inspirierende Beispiele. So erhalten Mitarbeiter eines Medienkonzerns eine Art Regelwerk, wie Journalismus unter der Marke des Medienhauses sein sollte. Ein Vermarktungsunternehmen im Lebensmittelbereich macht jedes Jahr ein grosses Happening mit allen zuliefernden Manufakturen, an dem Preise für die besten Manufakturergebnisse gemäss den Markenrichtlinien vergeben werden. Andere Unternehmen haben ein starkes Serviceverständnis, welches sich durch das ganze Unternehmen zieht. Die Markenführung wird bei diesen Firmen also gezielt in die täglichen Abläufe und Aktivitäten rund um das Marktangebot integriert.

Outside-in versus Inside-out Markenversprechen

Interessant wird es auch, wenn man Führungskräfte und Produktmanager nach ihrem Markenversprechen fragt. Während die einen ein sehr präzises Versprechen gegenüber ihren Kunden formuliert haben (Outside-in-Perspektive), haben die anderen ein eher nach Innen gerichtetes Leitbild als Markenversprechen formuliert (Inside-out-Perspektive). Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass nur wenige Unternehmen ein Wertversprechen haben, welches das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt stellt. Funktionale Versprechen zu den Marktangeboten dominieren bei den Unternehmen.

Es spricht nichts dagegen, wenn Unternehmen ein „Inside-Out“- statt ein „Outside-In“-Markenversprechen haben. Insbesondere bei Dienstleistungsunternehmen, wo das Kundenerlebnis stark von den Mitarbeitern abhängt, oder in der produzierenden B2B-Industrie, wo die Märkte überschaubar sind und nur eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern haben, machen „Inside-Out“-Wertversprechen absolut Sinn. Dennoch werden Markenversprechen, welche den Kunden und sein Erlebnis in den Mittelpunkt stellen, wahrscheinlich mehr Customer Engagement auslösen und die Kaufentscheidung stärker positiv beeinflussen.

Wertorientiertes Produktmanagement? Ja, aber…

Unsere Studie zeigt, dass die Vorteile und die Bedeutung des wertorientierten Produktmanagements von den verantwortlichen Managern klar erkannt werden: Klarere Marktdifferenzierung, höhere Kundenloyalität, nachhaltiges Wachstum und stärkere Mitarbeiterbindung. Die meisten Unternehmen weisen jedoch einen geringen Reifegrad aus, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Die Unternehmen müssen die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit überbrücken und das Konzept des wertorientierten Produktmanagements konsequenter im Marketing-Mix und den daraus resultierenden Marktangeboten umsetzen. Marken und Unternehmenswerte als strategische Priorität anzuerkennen, ist dabei der erste Schritt.

Die vollständige Studie zum wertorientierten Produktmanagement ist hier auf Deutsch oder Englisch verfügbar.

Quellen:

Medić, M., Medić, I. & Pancić, M. (2009). Mark vs. Brand – term and controversies. Interdisziplinäre Managementforschung, 5, 147-154.
http://www.efos.unios.hr/repec/osi/journl/PDF/InterdisciplinaryManagementResearchV/IMR5a13.pdf

Sully, D., & Turconi, S. (2017). How to Recognize a Strategic Priority When You See One. MIT Sloan Management Review.    

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