Zahlungsverkehr im Jahr 2040
Vor fünfzehn Jahren steckten technologische Entwicklungen, die heute Basis ganzer Geschäftsmodelle sind, noch in den Kinderschuhen und stiessen auf erhebliche Skepsis. 2008 führte die Credit Suisse zusammen mit PostFinance, Visa, Swisscom und SIX die ersten erfolgreichen Live-Tests für kontaktloses Bezahlen per Mobiltelefon durch (Flad, 2008). Zu dieser Zeit war kontaktloses Bezahlen mit Kreditkarten in der Schweiz noch nicht etabliert, und das Management stand der Zahlung per Mobiltelefon skeptisch gegenüber. Das Projekt wurde daraufhin eingestellt. Einige Jahre später brachte Apple kontaktloses Bezahlen auf das iPhone, und das Management begann, eine Disruption zu befürchten (Kühl, 2014).
In unserer Studie zum Zahlungsverkehr im Jahr 2040 haben wir die zukünftige Entwicklung des Zahlungsverkehrs anhand der Versicherungsbranche analysiert. Wie in vielen anderen Bereichen unterliegt auch der Zahlungsverkehr den Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Zahlungsverkehr ist, entgegen der allgemeinen Annahme, ein Produkt, das vor allem von den Rechnungsstellern nachgefragt wird. Die Art und Weise, wie Güter und Dienstleistungen in Zukunft angeboten und verkauft werden, bestimmt die Nachfrage nach Zahlungsmitteln. Anbieter von Waren und Dienstleistungen wollen dem Kunden ermöglichen, schnell und unkompliziert zu bezahlen (Emmenegger, 2018).
t’charta hat mithilfe von Drittstudien und Experteninterviews verschiedene Szenarien für die Zukunft des Zahlungsverkehrs entwickelt und daraus Rückschlüsse auf die Entwicklungen bis zum Jahr 2040 gezogen. Die Versicherungsbranche steht vor tiefgreifenden Veränderungen, die durch technologische Innovationen, veränderte Kundenanforderungen und globale Trends beeinflusst werden (Schweizerische Nationalbank, 2021). Diese Faktoren verändern zukünftige Geschäftsmodelle in der Versicherungsbranche und damit auch die Nachfrage nach bestimmten Zahlungsarten.
Die vollständige Studie ist hier verfügbar.
Trends in der Versicherungsbranche
Durch Recherchen und Drittstudien wurden relevante Trends für die Zukunft des Versicherungsgeschäfts identifiziert. Diese Trends wurden im Rahmen einer Umfrage unter Versicherungsexperten hinsichtlich ihrer Bedeutung und der Unsicherheit, ob sich die jeweilige Entwicklung tatsächlich durchsetzen wird, bewertet. Die Ergebnisse führten zur Kategorisierung in sichere, kritische und irrelevante Trends. Kritische Trends gelten als wichtig, doch bleibt offen, ob sie den Markt vollständig prägen werden. Beispiele hierfür sind Sharing Economy, Künstliche Intelligenz sowie On-Demand-Versicherungen. Basierend auf diesen kritischen Trends haben wir zusammen mit Branchenexperten in einem Workshop bei t’charta verschiedene Marktentwicklungsszenarien diskutiert. Diese Analyse bot die Grundlage, um die praktischen Implikationen der unterschiedlichen Szenarien für die Versicherungsbranche zu verstehen.
Entwicklung von Szenarien
Gemeinsam mit Branchenexperten und gestützt durch Fachliteratur sowie Workshops bei t’charta wurden drei mögliche und plausible Zukunftsbilder erarbeitet, wie Versicherungen im Jahr 2040 gestaltet, ausgewählt und verkauft werden könnten:
Szenario 1: Kunden als eigenoptimierte Opportunisten
Dieses Szenario beschreibt eine Gesellschaft, die auf individuelle Optimierung fokussiert ist, wobei Kunden digitale Lösungen für maximalen Komfort und Effizienz nutzen. Die Nachfrage nach digitalen Zahlungsmethoden steigt, insbesondere für digitale Geldbörsen und Request-to-Pay-Systeme, unterstützt durch KI-Betrugsschutz. Versicherungen werden anpassbar und prämienabhängig vom individuellen Risikoprofil. Datenschutz wird durch starke Sicherheitsmassnahmen gewährleistet, und Kunden teilen ihre Daten, wenn sie Kostenvorteile oder besseren Service erhalten. Dies schafft einen impulsgetriebenen Markt, der auf persönliche Bedürfnisse ausgerichtet ist.
Szenario 2: Rückbesinnung der Kunden auf Werte
Hier kehrt die Gesellschaft zu kollektiven Werten zurück, angestossen durch Krisen wie Kriege, Klimawandel oder umfassende, permanente Cyber-Attacken. Versicherungen fördern gemeinschaftsorientierte Produkte, die soziale und ökologische Verantwortung stärken. Das Vertrauen in technologische Lösungen nimmt ab und die Rolle von KI bleibt begrenzt, da Kunden die Kontrolle über ihre Daten bevorzugen. Die Digitalisierung schreitet weiter voran, aber sie wird langsamer und behutsamer gemacht. Traditionelle Zahlungsmittel wie Rechnungen und Überweisungen bleiben beliebt, ergänzt durch umweltfreundliche digitale Optionen. Die Kunden können ihnen vertrauen und scheuen neue, unbekannte Methoden. Es ist ein hybrides Modell aus persönlicher und digitaler Interaktion, welches ihnen Sicherheit und Autonomie bietet.
Szenario 3: Kunden in Echoräumen
In diesem Szenario spaltet sich die Gesellschaft in isolierte Gruppen mit unterschiedlichen Werten auf, was vielfältige Zahlungsbedürfnisse schafft – von Kryptowährungen über digitale Geldbörsen bis hin zu Banküberweisungen. Versicherungen stehen vor der Herausforderung, zahlreiche Zahlungssysteme für die unterschiedlichen Gruppen bereitzustellen. Flexible Lösungen zur Anpassung an widersprüchliche Anforderungen werden zentral. Sicherheitsanforderungen variieren stark, da einige Gruppen technikaffin und andere skeptisch gegenüber digitalen Systemen sind. Dies betont die Notwendigkeit anpassbarer Lösungen in einem vielfältigen Ökosystem.
Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen?
Die Prognose zukünftiger Zahlungslösungen ist komplex und von grosser Unsicherheit geprägt. Zahlreiche, sich gegenseitig beeinflussende Trends und Faktoren werden beeinflussen, wie die Commerce Cases für Versicherungen in rund 15 Jahren aussehen werden – also die Art und Weise, wie Versicherungen angeboten und verkauft werden. Aus diesen Szenarien lässt sich die Nachfrage nach Zahlungsmethoden und -mitteln ableiten. Um rechtzeitig fundierte Entscheidungen treffen zu können, empfehlen wir folgende Massnahmen:
Kontinuierliches und enges Monitoring hilft dabei, Entwicklungen zu verfolgen und deren Auswirkungen abzuschätzen.
Sichere und übereinstimmende Trends sollten fortlaufend verfolgt werden.
Flexibilisierung von Inkasso-, Exkasso- und Reconciliation-Systemen muss vorangetrieben werden.
Die vollständige Studie kann hier heruntergeladen werden.
Quellen:
Emmenegger, S. (2018). Zahlungsverkehr. Helbing Lichtenhahn Verlag.
Flad, D. (2008). Swiss Mobile Payment Initiative (PowerPoint Slides). Presentation at the Mobile Monday, EPFL.
Kühl, E. (2014). Hardware ist nicht mehr alles.
Die Zeit Online. https://www.zeit.de/digital/mobil/2014-09/apple-iphone-6-plus-vorgestellt
Schweizerische Nationalbank (2021). Zahlungsmittelumfrage. Neidhart + Schön Group AG.